Friedhelm Loh Group
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Vom Flüchtling zum Fachmann

11.08.2015. Die Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, ist so hoch wie seit 20 Jahren nicht mehr. Sie fliehen vor politischer Verfolgung, vor Terror, Krieg und Hunger. In Deutschland wollen sie leben und arbeiten, doch die Bedingungen sind alles andere als einfach. Sprachkenntnisse fehlen, Zeugnisse werden nicht anerkannt und die Orientierung im bürokratischen System ist mühsam. Die mittelhessische Friedhelm Loh Group hat sich Umdenken auf die Fahnen geschrieben und ein einzigartiges Kooperationsprojekt mit dem Lahn-Dill-Kreis ins Leben gerufen. Das Ziel: Potenziale nutzen, Chancen geben, Perspektiven eröffnen und aus Flüchtlingen gute Fachkräfte machen.


„Am meisten gefällt mir, dass man hier in Ruhe lernen und leben kann“, sagt Khaibar Fatenzada auf die Frage, was Deutschland für ihn bedeute. Der 26-Jährige aus Afghanistan lebt in einer Flüchtlingsunterkunft in Dillenburg und wusste bis vor kurzem nicht, wie es weitergeht. In seiner Heimat hat er eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann abgeschlossen. Sein Deutsch ist gut, er kann lesen, schreiben und verstehen. Doch es ärgert ihn, dass ihm die Aussprache noch schwer fällt. Es beunruhigt ihn, dass er nicht schneller vorwärtskommt.

Menschen wie Khaibar Fatehzada gibt es viele, die in den Zeltlagern und Flüchtlingsunterkünften auf die Nachricht warten, dass es für sie weitergeht, dass sie bleiben, arbeiten und sich ein neues Leben aufbauen können. Ohne eine Ausbildung oder einen Arbeitsvertrag ist das schwierig. Mit einem Pilotprojekt hat die mittelhessische Friedhelm Loh Group in Kooperation mit dem Lahn-Dill-Kreis daher das Thema Qualifizierung von Flüchtlingen für eine Ausbildung angestoßen. Acht hochmotivierte junge Menschen haben im Juli ihr dreimonatiges Vorbereitungspraktikum bei Rittal, der größten Tochtergesellschaft des Familienunternehmens, erfolgreich beendet. Unterstützt von engagierten Ausbildern und ihren Azubi-Paten sind sie jetzt in der Lage, in eine Ausbildung zu starten – und sie zu meistern. Für beide Seiten ein Erfolg: Rittal wird deshalb zwei der Flüchtlinge in ein Ausbildungsverhältnis übernehmen. Alle anderen haben mit ihrem Zertifikat eine starke Empfehlung in der Hand, wenn sie sich bei anderen Ausbildungsbetrieben bewerben.

„Als größter Arbeitgeber der Region haben wir eine Verantwortung für unser Umfeld, in dem derzeit viele Menschen eine neue, friedliche Heimat suchen“, so Friedhelm Loh, Inhaber und Vorstandsvorsitzender des Familienunternehmens über das Projekt: „Wir sind froh und dankbar, dass wir ein gutes Leben in einem Land ohne Krieg und Hunger haben. Das möchten wir auch den Flüchtlingen ermöglichen. Die beste Möglichkeit dafür ist, ihnen eine berufliche Perspektive zu geben, die Mut macht und Selbstvertrauen schenkt.“

Das Azubi-Patenmodell:
Aus Kollegen werden Freunde

„Im Lahn-Dill-Kreis leben momentan rund 2.000 Flüchtlinge. Dies ist eine große Herausforderung für den Kreis und die Kommunen“, so SPD-Landrat Wolfgang Schuster. „Das Projekt der Friedhelm Loh Group, junge Flüchtlinge auf eine Ausbildung vorzubereiten und den Weg in eine eigenständige Zukunft zu eröffnen, ist daher eine beispielhafte Initiative. Uns fehlen im Jahr 2030 fast 30.000 Menschen im erwerbsfähigen Alter. Wir haben im Kreis derzeit fast 90.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Wir brauchen gesteuerte Zuwanderung, sonst ist der Wohlstand gefährdet.“

Über drei Monate hinweg haben die Flüchtlinge in der Rittal Ausbildungswerkstatt in Eschenburg-Wissenbach alles gelernt, was sie für eine Ausbildung brauchen – die Grundlagen der Metallbearbeitung und Elektrotechnik direkt an den Maschinen sowie die berufsbezogenen Sprachkenntnisse am Whiteboard im Unterrichtsraum.

An Bereitschaft, Motivation und Ehrgeiz fehle es den Flüchtlingen nicht, so Azubi-Pate Mirko Burbach, der unter anderem Khaibar Fatenzada während seiner Zeit des Praktikums betreut hat – eine tolle Erfahrung für den 22-Jährigen, der zum ersten Mal selbst sein Wissen weitergeben konnte: „Die Arbeit mit den Flüchtlingen war eine schöne Zeit für mich, weil ich bei vielen Dingen helfen, unterstützen und anleiten konnte.“ Den Praktikanten habe es bei Problemen an den Maschinen oder mit dem Lehrstoff geholfen, auf die Azubis zugehen und auch einmal sprachliche Patzer riskieren zu können. Der stetige Kontakt zu ihren deutschen Kollegen hilft den Flüchtlingen über so manche sprachliche Hürde hinweg – und Freundschaften entstehen. Samstags gehe es immer mit einem Azubi-Kollegen auf den Fußballplatz, erzählt Fatenzada mit leuchtenden Augen. Er spielt in der A-Liga und wartet auf seinen offiziellen Fußball-Pass.

Fehlende oder noch nicht ausreichende Sprachkenntnisse sind eine Herausforderung sowohl für die Flüchtlinge als auch ihre Ausbilder im Qualifizierungsprogramm. Deshalb hat die Friedhelm Loh Group eine Lehrerin aus ihrer unternehmenseigenen Weiterbildungseinrichtung, der Loh Academy, in die Ausbildungswerkstatt geschickt. In den Unterrichtseinheiten lernen die Flüchtlinge nicht nur Grammatik und Konversation, sondern auch berufsbezogene Begriffe – schließlich müssen sie nicht nur Menschen, sondern auch Maschinen verstehen. „Wir sammeln die Woche über Worte, die wir nicht verstehen. Im Unterricht sprechen wir darüber“, erzählt Eyobel Gebreyesus. Der 26-jährige Praktikant ist aus Eritrea geflüchtet und fühlt sich wohl bei Rittal. Jeden Tag steigt er vom Bus in den Zug und wieder in den Bus, um zu seinem Praktikumsplatz zu gelangen: „Es ist mein Traum, zu bleiben und bei Rittal zu arbeiten. Die Menschen sind freundlich und es gibt Freiheit hier.“

Ein Konzept für die Zukunft

Als wegweisend bezeichnet Andreas Tielmann, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Lahn-Dill, das Konzept der Unternehmensgruppe: „Wir werden uns dafür einsetzen, dass weitere Unternehmen diesem Beispiel folgen und ebenfalls Vorbereitungspraktika oder Qualifizierungsprogramme für Flüchtlinge anbieten.“ Dank des erfolgreichen Pilotprojekts seien die Anforderungen für solche Programme nun transparent. Es brauche etwa weiterführende Sprachkurse und die Möglichkeit, zwischen Wohnort und Praktikumsplatz zu pendeln. Ein vom Lahn-Dill-Kreis gestellter Pädagoge steht während des Projekts als Ansprechpartner für Betriebe und Praktikanten zur Verfügung. Angesichts der zahlenmäßigen und fachlichen Dimension einer solchen Aufgabe sieht Tielmann das Land gefordert, mit seiner zentralen Kompetenz personell und finanziell die Voraussetzungen zu schaffen.

Für diese Herausforderungen haben die Friedhelm Loh Group und der Lahn-Dill-Kreis Lösungen gefunden und Empfehlungen formuliert. Unternehmen betreten also nicht länger Neuland, wenn sie Flüchtlinge fit für eine Ausbildung machen wollen.

Gemeinsam mit der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung, Ausbildungs- und Beschäftigungsinitiativen (GWAB) in Wetzlar haben die Kreise Lahn-Dill und Limburg-Weilburg die Leitlinien der Potentialanalyse und Qualifizierungsmaßnahmen in einem Förderantrag an das Land Hessen zusammengefasst: „Auf der Grundlage der Erfahrungen, die wir mit dem Pilotprojekt der Friedhelm Loh Group sammeln konnten, ist ein tragfähiges Konzept für die Zukunft entstanden“, so Stephan Aurand, Hauptamtlicher Kreisbeigeordneter und Vorsitzender des Aufsichtsrats der GWAB: „Wir möchten damit den Flüchtlingen in unserem Land bessere Chancen auf die Integration in den Arbeitsmarkt und damit auf ein besseres Leben bieten.“

Potentiale ausloten, Talente fördern und Qualifizierungen ermöglichen, so lautet das Konzept des Projekts, das nach seiner Pilotphase weiterlaufen soll. Und auch für Khaibar Fatehzada und Eyobel Gebreyesus geht es weiter. Beide starten im September in ihre Ausbildung bei Rittal. Der Traum, für den sie gekämpft haben, hat sich erfüllt. Auch wenn sie Schweres hinter sich haben, können sie den Blick nun optimistisch nach vorne richten – weil sie eine Perspektive haben.

 

Unternehmenskommunikation

Telefon: +49(0) 2772 505 - 2527
E-Mail: unternehmenskommunikation@friedhelm-loh-group.de

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Bild 1: Sie fliehen vor politischer Verfolgung, vor Terror, Krieg und Hunger: Das Pilotprojekt bietet Flüchtlingen eine Perspektive und die Chance auf ein besseres Leben.

Bild 2: Das Azubi-Patenmodell hat sich bewährt: Jedem Praktikanten ist ein Auszubildender zugeteilt. Gemeinsam lernen sie nicht nur Bohren oder Fräsen, sondern erweitern auch ihre Deutsch- und Fußballkenntnisse.

Bild 3: In der Rittal Ausbildungswerkstatt in Eschenburg-Wissenbach erlernen die Flüchtlinge im Vorbereitungspraktikum Grundfertigkeiten der Metall- und Elektrotechnik.

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